VOC in Innenräumen: Erkennung und Massnahmen

Was sind VOC und wo kommen Sie vor?
„VOC“ bezeichnet eine Vielzahl flüchtiger organischer Verbindungen (Volatile Organic Compounds), die in Innenräumen vorkommen. Quellen dafür sind unzählig: Farben und Lacke, Klebstoffe, Dichtmassen, Reinigungs- und Pflegemittel, Lösemittel in Holzschutz- oder Imprägniermitteln, Kunststoffe (Bodenbeläge, Möbel) sowie Einrichtungsgegenstände wie Teppiche oder Vorhänge, die z.B. Lösungsmittelrückstände oder Weichmacher ausgasen. Typische VOC in Gebäuden sind z.B. Alkane, Aromaten (z.B. Toluol, Xylol) aus Farben, Alkohole, Ester, Ketone aus Reinigern oder Klebern, Terpene (aus natürlichen Ölen, auch aus Holz oder Citrus-Reinigern), oder parfümierte Stoffe aus Duftsprays. Auch Tabakrauch enthält viele VOC. Neue Möbel (v.a. aus Spanplatte) können neben Formaldehyd auch andere VOC wie Hexanal abgeben. Elektronische Geräte und Kunststoffe dünsten Weichmacher oder Flammschutzmittel aus, die teils unter VOC fallen (man riecht z.B. “Elektronikgeruch” bei neuen Geräten).

Kurz: In praktisch jedem Innenraum gibt es diverse VOC-Quellen; die Frage ist nur die Konzentration. Moderne Bauweisen (dichte Gebäude) können zu höheren VOC-Konzentrationen führen, wenn nicht ausreichend gelüftet wird.

Wie werden VOC erkannt?
VOC machen sich oft durch Geruch bemerkbar – ein “neuer Auto/Teppich-Geruch”, “chemischer Geruch” oder “Lackgeruch” ist meist auf VOC zurückzuführen. Allerdings sind nicht alle VOC geruchsintensiv; manche können auch in geruchloser Luft vorhanden sein. Beschwerden der Raumnutzer sind ein wichtiger Indikator: Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schleimhautreizungen, trockene Augen und Schwindel können auf erhöhte VOC-Konzentration hindeuten.

VOC können mittels Raumluftmessungen nachgewiesen werden. Dabei wird entweder TVOC (Total Volatile Organic Compounds) gemessen – ein Summenwert aller flüchtigen organischen Stoffe in mg/m³ – oder man analysiert einzelne Verbindungen (z.B. per GC-MS).

Für Laien gibt es keine einfachen VOC-Heimtests wie für Formaldehyd; es muss ein Fachlabor beauftragt werden. Eine indirekte Erkennung ist, neu eingebrachte Materialien zu beobachten: frisch gestrichene Räume oder neue Möbel sind potentielle VOC-Quellen – hier kann man vorbeugend lüften und schauen, ob die Symptome nachlassen. Oft werden VOC erst bemerkt, wenn jemand den Raum betritt und einen starken Geruch feststellt oder ungewohnt reagiert. Ein einfacher Indikator ist auch ein PID-Messgerät (Photoionisationsdetektor), der die Gesamtkonzentration von organischen Gasen in ppm anzeigt. Solche Geräte nutzen Profis für Screening.

Kurz: Geruch + Beschwerden = Verdacht auf VOC; Bestätigung durch professionelle Raumluftanalyse.


Wie dringend müssen VOC reduziert/entfernt werden?
VOC umfassen harmlose wie auch gesundheitsschädliche Stoffe. Akut kann eine sehr hohe VOC-Belastung (z.B. unmittelbar nach dem Streichen mit lösemittelhaltiger Farbe in geschlossenem Raum) zu Schwindel, Benommenheit oder Reizungen führen – hier ist sofortiges Lüften zwingend.

Kurzfristige Spitzen wie beim Gebrauch von Lösungsmitteln sollten unbedingt begrenzt werden (Fenster auf, Schutzmaske tragen), das ist dringlich um Vergiftungen zu vermeiden. Chronisch erhöhte VOC-Werte (z.B. dauerhaft erhöhter TVOC-Wert im Wohnraum) können vielfältige gesundheitliche Folgen haben: leichte Symptome sofort, möglicherweise erhöhte Allergierisiken oder Belastung von Leber/Nerven auf Dauer. Daher sollte man auch diese baldmöglichst abstellen. Insbesondere Kinder, ältere und vorgeschädigte Menschen reagieren empfindlicher. z.B sollte ein Babykinderzimmer mit “Neu-Möbel-Geruch” nicht monatelang so belassen, sondern schnellstmöglich ausgelüftet oder die Quelle entfernt werden.

Allerdings: VOC haben in der Schweiz keine gesetzlichen Grenzwerte in Wohnräumen. Als Orientierung nennt das Deutsche Umweltbundesamt <1 mg/m³ TVOC als wünschenswert nach Bau/Sanierung und >3 mg/m³ als sanierungsbedürftig.

Tritt “schlechtes Raumklima” auf, sollte innerhalb Wochen reagiert werden. Wenn jemand über üble Gerüche oder Unwohlsein klagt, ist das Grund genug, sofort Quellen zu suchen und zu beseitigen.

Fazit: Dringlichkeit richtet sich nach Stärke: bei stechendem Geruch und Beschwerden sofort handeln (lüften, Raum meiden, Ursache entfernen), bei unterschwelligen Problemen kurzfristig (einige Wochen) Massnahmen einleiten, um die Luftqualität zu verbessern. Nichts zu tun ist keine gute Option, da viele VOC zwar nicht akut tödlich sind, aber die Lebensqualität mindern und teils Langzeitrisiken bergen.


Wie werden VOC reduziert/entfernt? 
Der Schlüssel ist, Quellen zu identifizieren und zu eliminieren. Falls beispielsweise ein frisch gestrichener Raum stark riecht, kann man prüfen, ob die Farbe ungeeignet war; evtl. muss neu mit emissionsarmer Farbe überstrichen werden.

Neue Möbel können eine Quelle sein – testweise kann man sie für einige Tage aus dem Raum entfernen und beobachten, ob sich das Klima bessert. Oft hilft kurzfristig bereits intensives Lüften: regelmässige Querlüftung oder Betrieb einer Lüftungsanlage verdünnt VOC in der Luft. Luftreiniger mit Aktivkohle können VOC ebenfalls temporär ausfiltern falls Lüften begrenzt ist (z.B. im Winter). Für Bodenbeläge (Teppiche mit VOC-Ausgasungen) kann man spezielle Versiegelungen oder Reinigungen nutzen.

Problematische Gegenstände (z.B. billige Schaumstoffmatratzen mit Geruch) sollten gegen zertifizierte  ausgetauscht werden.
Generell lohnt sich ein Blick auf Labels: Produkte mit Siegeln wie „Blauer Engel“ oder „GREENGUARD“ sind emissionsarm.

Keine VOC-Quellen hinzufügen: z.B. Raumdüfte oder Duftkerzen überdecken den Geruch, erhöhen aber die VOC-Last – solche sollte man meiden, bis da Grundproblem gelöst ist.

Falls die VOC von der Bausubstanz kommen (z.B. altes Lösemittelparkettöl im Holzboden) kann eine Sanierung nötig sein, z.B. Abschleifen und mit lösemittelfreiem Öl neu versiegeln. In ganz hartnäckigen Fällen, wenn man die Quelle nicht isolieren kann, sollte der entsprechende Raum nicht mehr als Wohnbereich genutzt werden.

Ist ein Verdacht vorhanden, können Materialproben entnommen und im Labor analysiert werden.


Wie hoch ist das Risiko bei der Bearbeitung? 
Das “Bearbeiten” von VOC-Problemen besteht meist darin, dass man die ausgasenden Materialien entfernt oder behandelt – also ähnliche Tätigkeiten wie normaler Ausbau, jedoch ggf. mit Geruchsbelästigung. Wer beispielsweise einen stark lösemittelhaltigen Teppichkleber abschleift, hat kurzfristig extreme VOC-Konzentrationen (Lösungsmitteldämpfe) am Arbeitsplatz – hier ist Atemschutz mit A2/P3-Filter und gute Belüftung unbedingt nötig, da sonst akute Vergiftungsgefahr besteht.

Bei kleineren Arbeiten (z.B. stinkende Möbel raustragen) ist das Risiko gering. Problematisch können Mischungen sein: VOC sind brennbar; Arbeiten, die Funken oder Flammen erzeugen, sollten in hoch belasteter Atmosphäre vermieden werden (Explosionsgefahr besteht aber nur in seltenen Extremfällen, wenn z.B. in einem engen Raum sehr viel Lösemittel verdampft).

Zudem sind einige VOC toxisch – z.B. Benzol (in alten Farben/Teer) ist krebserregend. Wenn man Material ausbaut, das Benzol ausgast, sollte man nicht ungeschützt arbeiten.

Generell: Die Gefahrstoffe bei VOC entstammen oft Lösemitteln, die bekannte Arbeitsschutzgrenzwerte haben – diese einzuhalten ist das Ziel. Das bedeutet, bei Abbeizarbeiten, Klebstoffentfernung, Lackierarbeiten etc. immer Handschuhe, Lüftung, Atemschutz.

Das Risiko bei unsachgemässer Bearbeitung (z.B. Schleifen eines lösemittelhaltigen Lacks ohne Maske) ist hoch (man kann bewusstlos werden oder langfristig Nervenschäden bekommen). Bei Beachtung der Schutzmassnahmen ist es gering.


Wie werden VOC entsorgt?
 

VOC-haltige Stoffe an sich werden beim Entsorgen meist mit dem Bauschutt oder Hausmüll mitgegeben, aber es gibt Besonderheiten:

Flüssige Lösemittelreste, Lackdosen, Klebstoffe gelten als Sonderabfall und müssen an Sammelstellen (Chemikalien-Sammlung) gegeben werden. Ausgedünstete Materialien wie alte Teppiche, Tapeten, Möbel etc. können in den meisten Fällen normal entsorgt werden – sie enthalten nur noch Spuren flüchtiger Stoffe, die in der Müllverbrennung kein Problem darstellen. Es ist jedoch sinnvoll, stark riechende Abfälle nicht lange in Wohnräumen oder Bürocontainern zu lagern, sondern rasch nach draussen zu verbringen.

Bauabfälle mit VOC: Wenn z.B. im Rückbau ein ganzer Raum mit lösemittelhaltigem Bitumenkleber ausgebaut wird, wird dieses Material in Big-Bags gesammelt und einer KVA zugeführt. Die Verbrennungsanlagen in der Schweiz sind mit guten Filteranlagen ausgestattet, so dass VOC beim Verbrennen zwar zu Abgas (CO₂, CO, ggf. etwas unverbranntes VOC) und Schlacke, aber weitgehend unschädlich gemacht werden. 

Recycling von VOC-belasteten Materialien ist problematisch – z.B. ist recycling von stinkenden alten Teppichen kaum möglich. Wie bei Formaldehyd gilt: Sobald verbrannt, sind flüchtige organische Schadstoffe zerstört, daher ist die Müllverbrennung der Endpunkt.

Recycling von Lösemitteln: Teilweise können noch flüssige Lösemittel durch Destillation aufgearbeitet werden (z.B. Reinigung von Maler-Pinselreiniger), das geschieht aber über Fachbetriebe. Auf jeden Fall: Lösungsmittel nie in Abfluss oder Boden entsorgen!


Wie lauten die gesetzliche Richtlinien?
 

Die Schweiz hat verschiedene Regelungen zur Reduktion von VOC: Zum einen gibt es seit 2000 eine Lenkungsabgabe – ein Anreizsystem, das Hersteller/Importeure für die Emission bestimmter Lösemittel bezahlen lässt, um deren Einsatz zu reduzieren. Ausserdem wurden in Anhang 2 der Luftreinhalte-Verordnung Grenzwerte für den VOC-Gehalt in Anstrich- und Lackierprodukten festgelegt (analog EU-Richtlinie 2004/42/EG).

So dürfen z.B. Wandfarben nur noch begrenzte Lösemittelanteile haben. Für Reinigungsmittel und Sprays existieren ebenfalls Vorschriften (Chemikalien-RRV) zur Inhaltsstoffbegrenzung, was indirekt VOC reduziert. In Innenräumen gibt es (noch) keine verbindlichen Grenzwerte für Gesamtkonzentration – aber das BAG gibt Richtgrössen für gutes Raumklima heraus und empfiehlt, bei Beschwerden Messungen durchzuführen.

Im Arbeitsschutz existieren für viele einzelne VOC MAK-Werte (z.B. 50 ppm für Toluol, 20 ppm für Xylol etc.), die nicht überschritten werden dürfen. Zudem gilt das Minimierungsgebot.

Baunormen: Minergie-ECO und der Standard Nachhaltiges Bauen fordern emissionsarme Materialien. Es gibt hierfür Materiallisten und Prüfkammer-Tests. Auch Label wie “Wohnmedizinisch empfohlen” schreiben strengere VOC-Limits vor.

Auf EU-Ebene wurde ein Innenraumluft-Richtwert-System (AgBB in Deutschland) etabliert, um Produkte zu prüfen – dies ist in der Schweiz freiwillig, wird aber zunehmend angewandt.

Juristisch relevant sind die Pflichten aus dem Obligationenrecht: Vermieter müssen z.B. Wohnungen ohne gesundheitliche Mängel bereitstellen – extreme VOC-Belastung könnte als Mietmangel gelten, was Druck zur Sanierung macht. Für öffentliche Bauten gibt es je nach Kanton Vorgaben, Raumluftmessungen nach dem Neubau durchzuführen (z.B. in Schulhäusern).

 

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